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/ Bibel heute

Israels unvergleichlicher Gott

Klaus Thimm über Jesaja 40,12–31.

Wer misst die Wasser mit der hohlen Hand, und wer bestimmt des Himmels Weite mit der Spanne und fasst den Staub der Erde mit dem Maß und wiegt die Berge mit einem Gewicht und die Hügel mit einer Waage? Wer bestimmt den Geist des HERRN, und welcher Ratgeber unterweist ihn? Wen fragt er um Rat, der ihm Einsicht gebe und lehre ihn den Weg des Rechts und lehre ihn Erkenntnis und weise ihm den Weg des Verstandes?[...]

Jesaja 40,12–31

Das besonders Beeindruckende an diesem Text ist die Fülle der Bilder, die der Verfasser zusammenträgt, um Gottes Macht und Herrlichkeit dem Leser nahezubringen. Für Gott ist nichts verborgen in seiner Schöpfung, ist nichts unmöglich. Was Jesaja hier irgendwann – so wird angenommen – im 5. Jahrhundert v. Chr. niederschreibt, das ist die Fülle dessen, was man damals als Ausdruck der Hochachtung und Bewunderung Gottes selbst glauben und anderen mitteilen kann. Und wie geht es uns heute, die wir mit diesem Text etwas für unsern Glauben anfangen wollen?

Ausdruck von Pracht, Macht und Einflussmöglichkeiten

Bilder, die Gottes Fähigkeiten und Größe beschreiben und mich fragen: Gibt es einen Ratgeber für Gott?

Ich selbst hatte erst vor kurzem eine „Stunde der Erkenntnis und Wahrheit:“ Von dem Schweizer Theologen Daniel Marguerat erschien 2022 das Buch „Jesus aus Nazaret“, in dem der Autor alles zusammentrug, was heute über Jesus und sein Umfeld bekannt ist. Über die Evangelien hinausgehend alles, was von Zeitzeugen und von späterem Hörensagen mit Jesus in Verbindung gebracht werden kann. Und da hat mich erstaunt, dass Marguerat feststellt: Persönlich hat Jesus selbst Gott nie anders als als “Vater“ angeredet. Alle anderen Anredeformen in den Evangelien – deren es ja etliche gibt – stammen von Nachfolgern Jesu. Jeder von ihnen baut ein eigenes, ein sehr persönliches Verhältnis zu Gott auf. Nur Jesus bleibt konsequent bei „Vater“ – bis zu jenem Todesseufzer: „Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist!“

Und angesichts dieser Feststellung möchte ich fragen: „Sollte es dann nicht auch für uns ausreichend sein, in der Anrede Gottes bei einem schlichten ‚Vater‘ zu bleiben?“ Allerdings kommen wir dann in ein Dilemma: Bewegen wir uns – etwa, wenn wir Psalmen beten -, nicht in ganz anderen Bildern und Anreden Gottes?  

Oder auch bei den Aussagen über Gott im Jesajatext: „Alle Völker sind vor ihm nichts.“ „Wen fragt Gott um Rat“? Würde ich das so zugespitzt formulieren?                                  

 Aber ich möchte nicht unsern schönen Prophetentext entwerten. Denn auch das zeigt die so sorgfältige Ausarbeitung des Herrn Marguerat: Jesus hat sich ganz und gar verstanden als „Jude seiner Zeit“.

Einer Zeit mit einem anderen Selbstverständnis des Judentums vor seiner Katastrophe im Jahre 70, dem Jahr der Zerstörung Jerusalems.
Als das ganz Besondere Jesu betont Marguerat, dass sich bei ihm Forderungen und Feststellungen finden, die nirgendwo sonst in der jüdischen oder der ganzen Literatur des Mittelmeer-Raumes auftauchen. An dem Verständnis der Grund-Texte ändert Jesus nur da etwas, wo er sehr sorgfältig mit seinem „… ich aber sage Euch …“ auch einen Grund dazu und einen Weg dahin angibt.
Ein zukunftsgerichteter Text, wie der hier vorgelegte von Jesaja, hat von Anfang an eine bleibende Bedeutung für das jüdische Volk gehabt. Zum ersten Mal in der Wiederaufbauzeit nach der Rückkehr nach Israel und dann wiederum nach der Katastrophe der Zerstreuung des Volkes Israel über einen großen Teil der damals bekannten Welt. Und so will auch ich diese Sprache akzeptieren, auch wenn sie mir schwer zugänglich ist. Und ich kann mich und Sie fragen: Gibt es wohl eine so hoch emotionale Sprache unserer Zeit, in der wir die Bewunderung der Macht Gottes zum Ausdruck bringen können?
Aber schließlich hat unser Text zu seiner Vollständigkeit ja auch noch zwei weitere Abschnitte:

Trost und Kraft 

Den Abschied „Trost“ und den Abschnitt „Gott schenkt neue Kraft“. Schon die Aufbauzeit, nach der Rückkehr aus Babylon, benötigt mehr Kraft als voraussehbar. Bei weitem nicht alle Nachkommen der nach Babylon Verschleppten machen sich begeistert auf den Rückweg in die alte Heimat. Die Fleißigen unter den Verschleppten haben das ihnen gegebene Wort beherzigt: „Suchet der Stadt Bestes, denn wenn es ihr gut geht, wird es auch euch wohl gehen“. Sie haben es zu Wohlstand gebracht. Und warum den aufgeben? Und die „Kinder und Kindeskinder“, die diesen Schritt wagen, die haben diese Kraft Gottes nötig, denn inzwischen haben sich andere Interessenten der „herrenlosen Ländereien“ bemächtigt. Die beiden alttestamentlichen Bücher „Esra“ und „Nehemia“ vermitteln ein Bild davon, wie es dabei zuging. Da ist immer neu die von Gott geschenkte Kraft dringend nötig. Und der Schöpfer und Herr der ganzen Erde gibt diesen Müden neue Kraft und macht die Schwachen wieder stark! Und da es derselbe Gott ist, den das Volk Israel mit unserem Text anbetet und den auch wir Christen mit diesem Text anbeten, wissen wir uns bei ihm geborgen auch in der Zusage dieses Textes: Wer kann es schon mit Gott aufnehmen?                      

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