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/ Bibel heute

Der Knecht Gottes, das Licht der Welt

Gernot Spelsberg über Jesaja 42,1–9.

Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.[...]

Jesaja 42,1–9

SIEHE, MEIN KNECHT!

Jesus geht nach seiner Auferstehung unerkannt mit zwei Jüngern über Land. Er fragt sie, warum sie so traurig sind. „Weil unser geliebter Freund und Meister, ein Prophet und Helfer vor Gott und allem Volk von unseren Oberen ausgeliefert wurde zum Tod am Kreuz.“ Und sie fügen an: „Wir hofften, Er sei es, der Israel befreien sollte. Aber heute Morgen kamen einige unserer Frauen vom Grab zurück mit der Nachricht: Das Grab ist leer und Jesus lebt! Wir sind erschrocken und verwirrt, auch weil sie sagen: Er ist auferstanden.“

Der Fremde antwortet: „Ihr glaubt also dem allen nicht, was die Propheten geredet haben? Musste denn nicht der Messias das erleiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?“ Und er beginnt im Mitgehen, ihnen, die es nicht begriffen haben und weder seinen Tod noch seine Auferstehung fassen können, die alttestamentlichen Zeugnisse über sich aufzuschließen. Später, nachdem sie ihn beim gemeinsamen Essen erkannt hatten, sagen sie „Brannte nicht unser Herz in uns, als er uns auf dem Weg die Schrift öffnete?“ Welche Worte aus der Thora, den Propheten und den Psalmen mögen das gewesen sein, die eine so freudige Hoffnung in ihnen entzündeten? 

Von Seinem Auftrag, seinem Leiden und Seiner Erhöhung zu Gott sprechen die vier „Lieder vom Gottesknecht“ im Buch des Propheten Jesaja. Das Vierte ist das bekannteste und steht im 53. Kapitel. Jesus hat diese Prophetie selbst gelebt und ist bis heute darin erkennbar. Wer ihn also besser, tiefer, kennenlernen will, der vertiefe sich in diese Offenbarung. Sie ist ein Höhepunkt im Alten Testament.  Wenn den Beiden also das Herz brannte, dann weil ihnen unverhofft dies Geheimnis so nahegekommen war.

Sie haben gerade das erste der vier Gottesknechtslieder gehört. Es ist zu finden im 42. Kapitel bei Jesaja gleich zu Beginn.

Wen verkünden uns die Lieder vom Gottesknecht?

Wird an anderen Stellen im Jesaja- Buch Israel als Gottesknecht bezeichnet, so tritt in den Gottesknechtsliedern immer ein geheimnisvoller einzelner Knecht auf. Er ist von Gott berufen seit dem Mutterschoß (49), von seinem Geist erfüllt (42), er ist ein „Jünger“, dem der Herr das Ohr geöffnet hat (50), damit er das Recht auf Erden bringt (42), die Menschen lehre (42; 50), durch sein Wort scheide und richte (50). Er erfüllt seine Sendung ohne äußeres Aufsehen, in Milde (42) und gerade im anscheinenden Scheitern (49). Schmach und Verachtung nimmt er an (50, 52,14 und 53). Er wird nicht schwach, denn der Herr hält ihn (42, 49, 50). Er wird, obwohl unschuldig (53), behandelt wie ein Missetäter, den Gott geschlagen hat (53), der schließlich einem schmachvollen Tod preisgegeben ist (53), in Wirklichkeit aber hat er sich selbst für die Sünder hingegeben, deren Sünde er trug und für die er eintrat (53). Gott hat durch einen „unausdenklichen Machterweis“ ihn aus diesem Sühneleiden hoch zu sich erhoben (52, 13) und das Heil aller geschaffen (53). Daher wird der Knecht groß werden (52,13), er wird „Nachwuchs“ sehen (53) und die „Vielen“, deren Schuld er trug, werden ihm gehören (53). Er wird nicht nur Israel zusammenführen (49) sondern das Licht der Völkerwelt sein (42, 49). -  So fasst die „Jerusalemer Bibel“ die Prophetien vom „Gottesknecht“ zusammen, deren Gipfel sich in Jesaja 53 auftut.

 „Siehe, das ist mein Knecht.“

Gott stellt ihn uns für alle Zeit so vor Augen: „Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, mein Erwählter, an dem ich Gefallen habe.“  Kein Name wird genannt, von diesem noch unbekannten Gottesknecht. In allen vier „Liedern“ wird verhüllend von ihm gesprochen. Das erinnert mich an das „Messias-Geheimnis“ um Jesus im Neuen Testament. Und doch: „Siehe!“- Wir sehen ein verhülltes Bild, aber mit schon deutlich erkennbaren Konturen. Alles ist auf die endliche „Enthüllung“ angelegt. „Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte“. Es klingt wie die öffentliche Vorstellung, die Designation eines Königs. Gott selbst setzt ihn ein und hält ihn fest in allem, was ihm widerfährt in den Stürmen seines Lebens und den Bedrängnissen, Ängsten und Nöten seines Auftrages und in Anfeindungen von Menschen. So einen kräftigen Zuspruch brauchen auch wir bei der Einführung in eine neue geistliche Aufgabe, das macht auch eine „Ordination“ aus.

„Mein Erwählter, an dem ich Wohlgefallen habe“.

Er ist ein von Gott Geliebter. In allen Nöten innerer und äußerer Art dürfen auch wir die Engelbotschaft an Daniel hören: „Fürchte dich nicht, du von Gott Geliebter! Friede sei mit dir! Sei getrost, sei getrost (Daniel 10, 19)!“ Und dann: „Ich gebe meinen Geist auf ihn.“ Ich bin bleibend bei ihm und befähige ihn zu seinem Dienst. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden“.  So erschallt über Jesus die Stimme aus dem Himmel, als er sich taufen lässt und der Heilige Geist auf ihn kommt. Und nach dieser „Ordination“ beginnt auch Jesus den Weg seiner Berufung. Der endet für den Gottesknecht wie für Jesus mit dem Tod für die, zu denen er gesandt wurde. Schon das ist ein starkes Argument, in Jesus den angekündigten „Gottesknecht“ zu erkennen!

„Er wird das Recht unter die Völker bringen.“

Das ist der Auftrag des Gottesknechtes. Es ist an dieser Stelle noch nicht ganz klar, was mit dieser sogar dreimal betonten Berufung gemeint ist. Aber wenn wir einen Blick auf das folgende Gottesknechtslied werfen, da werden die „Entronnenen“ der Völker zum Heil Gottes eingeladen (49,6). Wird er denn selbst als Missionar „das Recht unter die Völker bringen“? Einige Ausleger haben es so verstanden. Aber in den weiteren „Liedern“ deutet sich anderes an, und vollends in Kapitel 53 erkennen wir, auf welchem vorher gar nicht denkbarem Wege das Recht und das Heil in die Völkerwelt kommen wird.

Das Licht der Heidenvölker

Durch seinen Leidensweg in seinem Volk bringt der Knecht - sozusagen indirekt - das Recht Gottes und sein Heil zu den Völkern hinaus. So wird er zum Licht der Heidenvölker. Herrlich, diese Ausweitung des Heils über Israel hinaus in die Völkerwelt! – hier vorausgesagt und nachweislich eingetroffen.  Und erstaunlich, sie warten schon darauf: „Auf seine Weisung warten die Inseln.“ Den Satz sollten wir zu Herzen nehmen. Eine Perspektive und Ermutigung für unser Zeugnis unter Menschen, die noch weit entfernt sind. Rechnen wir doch damit, dass unter unseren Angehörigen, Freunden, Nachbarn, Arbeitskolleginnen und Kollegen mehr Menschen sind, als es den Anschein hat, die in diesem Sinne warten, gerade auch - wie hier vorausgesetzt - Menschen anderer Religionen. „Auf seine Weisung harren die Inseln.“

Wichtig ist sein Auftreten. Mit diesem großen, weltgeschichtlichen Auftrag geht er sehr demütig um. „Er schreit nicht und ruft nicht laut“ in eigener Sache. Er hält keine Wahlkampfreden und hält seine Nachfolger zurück, wenn sie in diesen Modus verfallen wollen. Aber er hat einen warmen Blick für Menschen, die sich vorkommen, wie ein geknicktes Rohr oder ein nur noch glimmender Docht. Das Rohr bricht er nicht. Den Docht löscht er nicht aus. Wie viele Menschen fühlen sich bis heute verstanden und getröstet durch diese Worte. Israel im Exil war sich vorgekommen wie ein geknicktes Rohr und glimmender Docht und hört nun diese Trostworte. 

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Kommentare (1)

Rike /

Eine sehr durchdachte, lehrreiche Auslegung, ganz von der Bibel her! Auch der Einstieg mit den Emmausjüngern war eine tolle Idee. Vielen herzlichen Dank!