Navigation überspringen

/ Wort zum Tag

Geben oder nicht geben?

Dorothee Döbler über Sprüche 14,31.

Ich wohne in Berlin. Jeden Morgen fahre ich mit der U-Bahn in die Innenstadt zur Arbeit. Da begegne ich ihnen – den Obdachlosen, den Bettlern, den Musikern. Und jeder wünscht sich ein paar Cent von mir.

Da gibt es den Querflötenspieler, ein etwas älterer Herr. Ich staune immer wieder, dass er auch schon morgens um halb acht seine Arbeit in der U-Bahn beginnt! Er spielt Musik zum Genießen, und ich mache die Augen dabei zu. Weil ich selbst Querflöte spiele, ist es mir eine Musikerehre, ihm etwas zu geben.

Dann kommt ein junger, verlotterter Mann: „Ham Sie mal ein paar Cents? Ich hab heute noch nicht gefrühstückt.“ Na, ob das stimmt? Es gibt so viele Angebote für Obdachlose in Berlin, wo sie kostenlos essen können. Und unterstütze ich mit einer Gabe nicht die Lebensweise dieses Menschen? Der ist noch so jung! Warum nimmt er nicht die Hilfe der Sozialarbeiter an und findet in das geregelte Leben zurück?

Beim Umsteigen treffe ich die Frau, die auf den Treppenstufen der Unterführung sitzt und singt. Sie könnte zum Volk der Sinti und Roma gehören. Ihr Gesang ist nicht schön, aber sehr inbrünstig. Und ich höre heraus, dass es gesungene Gebete sind. Wie hält diese Frau es nur durch, auf der zugigen Treppe zu sitzen und dann auch noch zu singen? Dass sie nicht schon nach einer halben Stunde heiser ist?!

Und manchmal treffe ich auch die Junkies, die Drogenabhängigen, die schon zittern, weil sie Nachschub brauchen. 

Alle wollen Geld von mir. Alle brauchen es. Brauchen sie es? Oder unterstütze ich damit nur einen Lebenswandel, der ihnen nicht guttut. Der ihnen sogar schadet? Weiß ich denn wirklich, was ihnen guttut und was ihnen schadet?

Soll ich jedem etwas geben? Dafür sind es zu viele! Sind sie das wirklich? Wenn ich jedem 20 Cent gäbe, dann wäre das – wenn ich ehrlich bin - für mich persönlich finanziell zu verschmerzen.

„Wer sich des Armen erbarmt, der ehrt Gott“, heißt es im Buch der Sprüche. - Wer sich des Armen erbarmt, der ehrt Gott. Das soll heißen: Wer dazu beiträgt, dass der Arme nicht mehr arm ist, der ehrt Gott.

In der Schöpfungsgeschichte der Bibel steht: Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbild. Darum begegnet mir in jedem Menschen das Ebenbild Gottes, egal wie er aussieht, egal in welcher Lebenssituation er sich gerade befindet.

Ich merke: Es verändert meinen Blick auf die Menschen, die mich in der U-Bahn anbetteln. Auch sie sind ein Ebenbild Gottes. Auch sie sind Menschen, die von Gott gewollt und geliebt sind.

Und es fällt mir leichter, ihnen etwas zu geben: ein paar Münzen für ihr Auskommen, ein Lächeln für den Respekt und die Wertschätzung und ein Segenswort, im Herzen gesprochen und – wenn ich manchmal mutig bin – auch laut.

Sie möchten noch tiefer in die Bibel eintauchen? Wir empfehlen unsere Sendereihe:

Anstoß

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (4)

Ivan K. /

Ich lebe in der Slowakei, schon Rentner und leite ich einen Buergerverein " Hilfszentrum " in Tisovec. Täglich treffen wir die Menschen, meistens Romas,die immer wieder etwas lebenswichtiges brauchen mehr

Hedy /

tja....ich gebe immer gerne.Aber ist es immer richtig, dass weiss man nicht! Es muss nicht meine entscheidung sein. Der Bettler muss mit den Herrn Abrechnen....denke ich.
Danke liebe Frau Doebler,fuer den Beitrag und Ihre Worte.

Wolfgang W.-Z. /

Vor einigen Jahren habe ich beobachtet wie vor der Berliner Hedwigskathedrale ein großer schicker Mercesdes vorfuhr. Es enstiegen eine zerlumpte Frau mit einem zerlumpten Kind und setzten sich auf mehr

Verena W. /

Die gleiche Situation habe ich gestern in der Stadt erlebt, und im Nachhinein bin ich froh dass meine Bekannte und ich etwas gegeben haben.
Die Frage ob das sinnvoll genutzt wird, beschäftigte mehr