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Unerwartet Gast

Matthias Adt über Hebräer 13,1-2.

Bleibt fest in der brüderlichen Liebe. Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.

Hebräer 13,1-2

Was hat Bruderliebe mit Gastfreundschaft zu tun? Mehr als wir denken, sagt der Hebräerbrief. Sie kann zu unerwarteten Folgen führen. (Sogar Konflikte zwischen Geschwistern lassen sich manchmal lösen, indem man einfach den anderen besucht oder einlädt!)

Bei jeder Begegnung ist unser Herr ja selbst als unsichtbarer Gast dabei. Und er ist immer für Überraschungen gut.

Das folgende Beispiel ist für mich besonders eindrücklich. Es begann mit einer Einladung bei einer Gemeindeveranstaltung im schwäbischen Sindelfingen vor gut 50 Jahren. Ein wacher Teilnehmer entdeckt einen Fremden, den er noch nicht kennt, spricht ihn an, kommt mit ihm ins Gespräch und fragt ihn: Hast Du über Weihnachten schon was vor? Nein, ist die Antwort. Komm doch zu uns. wir laden Dich gerne ein.

Der Eingeladene freut sich so, dass er seinem Vater in Indien davon berichtet. Der wiederum ist so gerührt, dass es seinem Sohn in Deutschland so gut geht, dass er spontan beschließt, das gleiche zu tun und er lädt fünf Straßenjungs zu sich ein. Diese Einladungen sind der Startschuss für eine unglaubliche Kettenreaktion, die zur Gründung der Nethanja-Kirche in Indien führt, einer fast explosiv wachsenden weitverzweigten Jesus-Gemeinde. Gastfrei zu sein vergesst nicht.

Wie werden wir gastfrei? Am ehesten, wenn wir selber einmal Gäste gewesen sind. Vor vielen Jahren hatte ich dafür ein Schlüsselerlebnis. Ich war am späten Abend in einem finsteren, heruntergekommenen und einsamen Viertel einer Großstadt in einem Wohnheim mit einem Studenten verabredet, der aber nicht aufzufinden war. Kurz vor Mitternacht war ich ziemlich ratlos und fragte einen zufällig vorbeikommenden, ebenfalls ziemlich finster ausschauenden jungen Mann nach meinem Bekannten. Er hatte keine Ahnung, sah aber meine Isomatte und meinte spontan: Du kannst bei mir übernachten.

Mir schossen alle möglichen gruseligen Krimi-Episoden durch den Kopf, aber dann siegte der Gedanke: Ich steh in meines Herren Hand, sagte zu, rollte meine Isomatte aus und war schnell eingeschlafen. Mitten in der Nacht rüttelte es an meiner Schulter. Entsetzt fuhr ich auf. Schlaftrunken sah ich, dass mein iranischer Gastgeber zwei riesige Platten mit orientalischen Köstlichkeiten zubereitet hatte. Alle meine Versuche, den Verzehr auf die Frühstückszeit zu verlegen, scheiterten. „Du bist mein Gast und jetzt gibt es Essen.“ Halb zwei in der Nacht. So entstand eine mehrjährige intensive Beziehung mit Hochs und Tiefs. Ein Schlüsselerlebnis, weil ich in dieser Nacht viele Klischees, Vorurteile, Vorbehalte und Ängste vor Fremden auf den Prüfstand stellen musste.

Ein politischer Satz sei erlaubt: Wie viele Menschen unter welchen Bedingungen in unser Land kommen dürfen, ist eine politische Frage, in der auch Christen verschiedener Meinung sein können. Aber für die Menschen, die hier sind, egal warum und wie lange, gilt Hebräer 13: Gastfrei zu sein vergesst nicht. Hier können Christen nicht verschiedener Meinung sein. Einmal eine Einladung in eine deutsche Familie bekommen zu haben, bedeutet für viele Ausländer viel mehr, als wir denken. Aber es geht ja nicht nur um Ausländer. Der Nachbar von gegenüber freut sich vielleicht genauso.

Doch als Gastgeber sind wir die Beschenkten, denn jeder Gast erinnert uns daran, was wir selber sind: Wanderer auf dem Weg in die ewige Heimat. Gastfreundschaft kann für Gast und Gastgeber eine wichtige Zäsur sein – eine Erinnerungshilfe ans ewige Zuhause.

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Anstoß

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Kommentare (3)

Walter H. /

Vielen Dank für Ihren wertvollen Beitrag

Dieter B. /

Eine gute Auslegung, welche zum Nachdenken aufforderte und Hilfen gibt die Botschaft umzusetzen auch in unseren Tagen. Danke.
"Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich still und leise; und ist er mehr

Detlef G. /

Lieber Matthias Adt,
ein ganz wertvoller Anstoß zum Handeln. Ganz herzlichen Dank für diese praktische Auslegung zum Wort zum Tag. Gottes Segen für Ihren Dienst.