/ Wort zum Tag
Die geschenkte Großfamilie
Jutta Schierholz über Psalm 115,14.
Der HERR mehre euch, euch und eure Kinder!
Es sind sehr gemischte Empfindungen, die der heutige Losungstext bei mir auslöst. In Psalm 115, Vers 14 steht: „Der HERR mehre euch, euch und eure Kinder.“
Das klingt für mich erst mal sehr zwiespältig, denn meinen Mann und mich hat der Herr nicht gemehrt. Wir haben keine Kinder bekommen. Das war für uns wirklich traurig und schwer zu verstehen.
Und dennoch ist heute unsere Wohnung voller Trubel, voller Kinderlachen, immer wieder sind Menschen da, die mit ihnen spielen und mit ihnen lernen, die mit uns Kaffee trinken und die sich untereinander begegnen. Ein bisschen wie in einer Großfamilie. Vermutlich ist in unserer Wohnung heute sogar mehr Leben, als wenn wir eigene Kinder bekommen hätten. Es ist eigentlich sonderbar, aber inzwischen bin ich selbst ganz dankbar dafür, wie die Dinge gelaufen sind, und freue mich darüber. Irgendwie passt dieser Vers dann ja doch sehr gut auf uns. Wir sind doch mehr geworden, sogar mehr, als wir gedacht hätten.
Denn weil wir keine Kinder bekamen, haben wir uns vor zehn Jahren dazu entschieden, Pflegefamilie zu werden. Ziemlich dicht nacheinander sind dann drei Jungs bei uns eingezogen. Sie haben alle drei ihre Besonderheiten und mein Mann und ich haben schnell gemerkt, dass wir beide das nicht alleine schaffen. Dass wir auf Hilfe von anderen Menschen angewiesen sind. Also haben wir zwangsläufig unser Heim für Leute geöffnet, die uns bei der Betreuung helfen. Und wir sind mit wunderbaren Menschen beschenkt worden. Und es werden immer mehr. Unser Leben ist insgesamt durch alle diese Umstände nicht unbedingt leichter geworden, aber doch viel, viel reicher.
Daran muss ich denken, wenn es hier heißt, dass der Herr uns mehren möge. Mein Mann und ich sind heute von vielen wunderbaren Menschen umgeben. Und wir sind ja nicht nur zahlenmäßig mehr geworden. Auch unser Blick und unsere ganze Haltung zum Leben hat sich geweitet. Das hebräische Wort, das hier im heutigen Losungsvers mit „mehren“ übersetzt wird, bedeutet auch mehr als reines zahlenmäßiges Wachstum. Das ist mehr als reine Vermehrung. Es ist Bereicherung, Vielfalt, Weite.
Die Leute vom Volk Israel hatten sicher auch nicht gedacht, dass eines Tages nicht nur ihre Nachkommen zum Volk Gottes gehören werden, sondern noch viele andere Menschen auch. Durch Jesus können ja nun auch Menschen aus anderen Völkern zu Gott kommen und Teil der großen Familie Gottes sein. Es ist ein großer bunter Haufen Menschen, der sich da inzwischen zusammengefunden hat. Eine wunderbare Vielfalt. Ich freue mich sehr und finde es spannend und bereichernd zu sehen, wer alles zur großen Familie Gottes gehört. Wie unterschiedlich die Menschen darin sind, wie viele Kulturen da gelebt werden, wie viele Sprachen gesprochen werden, wie viele verschiedene Arten es gibt, das Leben zu gestalten und den Glauben zu leben.
Ihr Kommentar
Kommentare (3)
Eine sehr tolle offene persönliche Andacht! Habe gerade eine Dame in Altersheim besucht, die mir 93 immer noch traurig ist, dass sie und ihr Mann keine Kinder bekommen haben. Ihre Andacht ist sooo mutmachend. Auch wenn es mit Pflegekindern ganz sicher kein einfacher Weg ist.
Vielen Dank für diese sicher für viele Menschen so mutmachenden, offenherzigen und zukunftsweisenden Worte.
Liebe Jutta Schierholz,
mir geht es ähnlich wie Ihnen - nur noch eine Ecke härter.... und gleichzeitig bin ich dadurch sehr beschenkt. Ich bin mit den tragikomischen Diagnosen "sexueller Wahn - … mehrVerschwörungstheorie - Größenwahn - paranoide Schizophrenie" verrückt erklärt, und hätte, hätte ich Kinder bekommen, diese wahrscheinlich genommen bekommen wie "Nanni Dina von Chaotika" (so darf ich sie nennen), die ihre Kinder alle entzogen bekam. Ich habe sie kurz vor der Geburt ihres 4. Kindes kennengelernt in der Kirche - bei einem Ostergottesdienst - als ich durch meine Kleidung (zwei verschiedene Paar Schuhe) einen Osterwitz machen wollte. Ich habe die Stadt Wetzlar und LA Germany (Lahnau Dorlar) - Pfarrerin Manuela Bünger kontaktiert - und gefragt, ob ich dort hin umziehen könnte und u.a. im Namen meines Großvaters ein Friedensprojekt: "Aus Ehrfurcht vor dem Leben - Körperlehrer" umsetzen könnte, das auch in der corona Pandemie helfen kann. Hätte ich Kinder bekommen gehabt und diesen Schmerz der Einsamkeit, Stigmatisierung, Diskriminierung nicht empfunden, wäre ich wohl weniger auf mein Modul gekommen. Ich hoffe, wir lernen uns einmal kennen - ich möchte auch gerne Kindern und Pflegefamilien helfen und gerne mit dem ERF und Wetzlar und Goethe sagen, dass das, was die Welt im Innersten zusammen hält, die Liebe ist - mit Eros - Philia und Agape - Facetten... und Strukturen im Gesundheitswesen demokratisieren helfen - was wahrscheinlich indirekt auch Menschenleben retten kann.