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Zurechtweisung erwünscht?!

Michael vom Ende über Jeremia 10,24.

Weise mich zurecht, HERR, aber im Gerichtsverfahren, nicht in deinem Zorn, damit du mich nicht auslöschst.

Jeremia 10,24

Es war eine meiner merkwürdigsten Vortragseinladungen in meinem ganzen Leben. Zu Beginn meiner Zeit als Geschäftsführer von faktor c, einer Initiative von Christen in der Wirtschaft, sollte ich einen öffentlichen Vortrag für Menschen aus der Wirtschaft halten. Und zwar zum Thema: „Wen der Herr liebt, den straft und züchtigt er“. Dieser Satz steht tatsächlich so im biblischen Buch der Sprüche. Ich habe dem Vortrag zugestimmt, aber den Titel einer verständlicheren Übersetzung angepasst: „Wen der Herr liebt, den weist er zurecht.“. Das ist verständlicher in Zeiten von gewaltfreier Kommunikation und einer Erziehung, die ohne Schläge auskommen will.

„Weise mich zurecht, Herr.“ So formuliert einmal der Prophet Jeremia in einem Gebet. Es ist ein persönliches Gebet für sich und ein „Muster-Gebet“ für das Volk der Israeliten. Wow! Solch eine Bitte zeugt von Größe und von einem tiefen Verständnis von Beratungsbedarf. Ich mag keine Zurechtweisung, Sie vermutlich auch nicht. Wer trotzdem so bittet, ist nicht nur weise, sondern zutiefst überzeugt, dass er es verdient hat und besser werden kann. Wer aus seinen Fehlern lernen will, bringt die besten Voraussetzungen für die eigene erfolgreiche Entwicklung mit! Wie sieht es mit Ihrer Größe und Ihrem Verständnis aus?

„Weise mich zurecht, Herr, ABER … Nun kommt doch eine Einschränkung. Das Wort „Aber“ relativiert in unserem Gebrauch häufig das, was zuvor gesagt wurde. Ist das hier solch eine relativierende Bitte um Zurechtweisung á la „Wasche mich, aber mache mich nicht nass“?

Nein, dieser Gebetssatz lautet vollständig nämlich so: 

„Weise mich zurecht, Herr, aber im Gerichtsverfahren, nicht in deinem Zorn.“ (Jer. 10, 24) Der Prophet weiß, dass er etwas falsch gemacht hat. Und er fürchtet die angemessene, normale Reaktion, den Zorn Gottes. Das Volk der Israeliten sollte wissen, dass es etwas falsch gemacht hatte und sollte sich fürchten vor dem Zorn Gottes, der angemessenen, normalen Reaktion. 

Der Zorn Gottes – das ist in der Bibel ein Begriff für Gottes Reaktion darauf, dass sein liebevolles, unterstützendes Handeln und seine Fürsorge nicht wahrgenommen werden. Nicht angenommen, nicht mit Dankbarkeit und Gehorsam erwidert wird. Seine Liebe wird verletzt und zurückgewiesen – und er weist zurecht. Der Zorn Gottes ist seine Schmerz-Reaktion. Er zieht seinen Schutz zurück, er straft, er entzieht einem Menschen oder einem Volk die Lebensgrundlage.

Jeremia als der Botschafter Gottes hält dem angesprochenen Volk der Israeliten den Spiegel vor: Gott hat sich jahrhundertelang um euch gekümmert. Er hat euer Überleben gesichert. Er hat alles aus Liebe für euch getan. Ihr habt seine Liebe verschmäht. Und dann kommt, was kommen muss, als das Volk das Muster-Gebet von Jeremia nicht zu seinem macht: Große Teile werden nach dem kriegerischen Überfall der Babylonier ins Exil verschleppt, wo sie dann an den „Rivers of Babylon“ saßen und weinen. Wie viele Tränen hatte Gott aber schon vorher um sie geweint? Gott ist zornig – und fällt sich doch mit seiner Gerechtigkeit in seinen eigenen strafenden Arm. Da kann man nur staunen! 

Gott liebt uns. Wir weisen die Liebe zurück. Er weist uns zurecht – aus Liebe. Wir haben es verdient. Und können es zu einer guten Übung werden lassen, so zu beten: „Gott, weise mich zurecht. So kann ich leben. Und deine Liebe annehmen und erwidern. Amen.“

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Kommentare (3)

Silvia /

Ein schweres Wort (Thema)... / wenn Gottes Zorn in vollem Umfang einsetzen wuerde, wuerde vermutlich kein Mensch ueberleben..; deshalb doch die Relativierung: "aber im Gerichtsverfahren, nicht in mehr

Sigrun T. /

Heute bin ich als Pastorin als Zeugin geladen bei einer Gerichtsverhandlung von Mitgliedern unserer Gemeinde. Wie überrascht war ich über die Losung heute morgen! Wir hoffen und beten, dass der mehr

Günther B. /

Warum taucht in der kompletten Erklärung kein einziges Mal das Wort GNADE auf ??? Das Gerichtsverfahren und die Strafe hat JESUS für uns erduldet, Er hat den Zorn Gottes über die Trennung und Sünde mehr