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Erstaunlich

Wolfgang Buck über Psalm 65,9.

Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen.

Psalm 65,9

Klingt gut, einen solchen Satz höre ich gern. Ich kann ihn wie das Zitat eines Dichters auf eine Spruchkarte schreiben und sich dann über den Schreibtisch hängen. Muss ich aber nicht, denn die Ehrfurcht vor der Bibel bedeutet für mich, sie nicht als schöne Spruchsammlung zu lesen, sondern die einzelnen Verse in ihrem Zusammenhang zu sehen. So auch hier:

Die Psalmen waren die Lieder im Alten Israel. Sie wurden meist im Tempel gesungen, oft auch im Wechsel. Psalm 65 ist so ein wunderbarer Liedtext.

Zunächst kommt der Tempel-Alltag vor: Da loben die Menschen Gott, sie sprechen Gelübde aus oder lösen sie ein, da werden ihnen Sünden bewusst und sie bitten um Vergebung von Schuld. Darum geht es in den Versen 2-5.

Ab Vers 6 weitet sich der Blick auf die ganze Welt. Da geht es um die wunderbare Schöpfung – und auch um ihre Bewahrung durch Gott. Der ganze Psalm ist durchdrungen vom Staunen. Da sind die riesigen Gebirge – Gott hat sie dorthin gepflanzt, wo sie sind. Da ist das Meer. Sein Brausen ist für Wüstenbewohner schon immer bedrohlich gewesen, hat etwas Chaotisches. Aber Gott hat das Meer gezähmt. Und überall herrscht eine wunderbare Ordnung. Der Beter staunt – und sieht auch alle anderen Menschen fröhlich und dankbar staunen:

Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen.

In den letzten Versen des Psalms geht es ums Wasser, um Regen und Segen. Für alle Völker des Orients war der Regen das wichtigste Alltagsthema. Auch der Baalskult hatte hier seine Mitte. Aber der Psalmsänger weiß, dass Regen einzig Gottes Segen ist – und staunt in wunderbaren Bildern: Da triefen die Felder von Wasser, da explodiert die Natur geradezu durch Gottes Regen-Segen, man jauchzt und singt – mit diesen Worten endet der Psalm.

Wenn ich den Psalm in seinem Zusammenhang so lese, merke ich, dass viele das Staunen verlernt haben. Wir können alles erklären – oder glauben es zumindest. Wir kennen den Kreislauf des Wassers – für die damaligen Menschen ein Wunder Gottes, wenn es regnete, ein Wunder Gottes, wenn die Quellen das Wasser aus der Erde freigaben.

Heute wissen wir, dass die Erde um die Sonne kreist und so die Jahreszeiten geregelt sind, und dass sich die Erde in 24 Stunden einmal um ihre Achse dreht und so Tag und Nacht entstehen. Damals ein unerklärliches Wunder, dass die Sonne abends im Meer versinkt, dort nicht in einer großen Dampfwolke ausgelöscht wird, sondern am nächsten Morgen wieder quicklebendig im Osten erscheint und alles erwärmt. Und sie staunten über Gott, der das irgendwie organisiert: Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen.

Ich denke, das Staunen über Gott und seine Schöpfung ist absolut nicht dadurch erledigt, dass wir manche Zusammenhänge der Natur heute besser erklären können. Im Gegenteil:

Je mehr wir über die Schöpfung wissen, desto mehr können auch wir dankbar staunen. Wer meint, er habe die Welt komplett verstanden, zeigt nur seinen beschränkten Horizont. Denn für jede gelöste Frage in der Naturwissenschaft tun sich 10 ungelöste neue Fragen auf. Gottes Weisheit übersteigt unser Denkvermögen bei weitem. Ich kann nur staunen, dankbar staunen.

Wer das auch nur zaghaft versucht, zu begreifen, der kann nur dankbar mit einstimmen in Psalm 65: Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen.

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Anstoß

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Kommentare (3)

Sabine /

Danke, Herr Buck, für dieses einfach schöne Wort zum Tag!

Waltraud . /

Sehr gut

Stefan K. /

Eine sehr gelungene Morgenandacht, mit sehr viel Tiefgang zu Seiner Schaffenskraft und unsrem menschlichen Wesen