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/ Wort zum Tag

Das Band der Liebe reißt keiner durch

Werner Bücklein über Prediger 8,8.

Der Mensch hat keine Macht über den Tag des Todes.

Prediger 8,8

Vor wenigen Minuten habe ich den Telefonhörer wieder hingelegt. Meine Augen sind noch feucht von den Tränen, die bei diesem Gespräch geflossen sind.  Ich habe mit Rosemarie telefoniert, die seit vielen Jahren eine aktive Frau in unserer Gemeinde ist. Rosemarie ist 86 Jahre alt. Noch am Heiligen Abend war sie recht munter bei unserem Stationen-Gottesdienst rund um die Kirche mit dabei. Dann ging alles sehr schnell. Schmerzen, Untersuchung, Diagnose. Rosemarie stirbt. Auf meine Frage zuvor, ob ich von ihr im Radio berichten darf, antwortet sie mit einem frohen „ja“.

So lese ich ihnen vor, was ich während des Gespräches mitgeschrieben habe:

„Ich bin gar nicht traurig“, sagt sie und ihre Stimme ist brüchig geworden. „Aber ich fühle mich so getragen. Wir wissen ja, wo die Reise hingeht. Es bewegt mich so“, sagt sie, und ich merke, wie auch bei ihr die Tränen fließen, dass die Gemeinde für sie betet. „Ich bin so froh, dass ich hier meine Heimat gefunden habe und so reich beschenkt worden bin. Mein Glaube und mein Leben sind immer weitergewachsen und ich bin glücklich, dass ich dazugehören darf. Natürlich ist Abschiednehmen nicht schön, das letzte Stückel ist schon schwer. Wer kann sich aber vorstellen, dass ein Mensch, der so geplagt ist, jeden Tag Dankeschön sagt? Ich habe täglich trotz der Sorgen nur Grund zum Danken. Ich könnte Weinen vor Glück über die vielen Briefe und Telefonate, die ich von Leuten aus der Gemeinde bekomme. Manchmal geht das über meine Kraft hinaus und ich kann gar nicht mehr alles aufnehmen. Da schreiben Jugendliche, die in der Corona-Zeit für uns eingekauft haben, was ich für sie bedeute. Am Ende meines Lebens kann ich nichts Schöneres erleben, als Gemeinschaft mit diesen Menschen zu haben. Sie sagen mir, wie gut ich ihnen getan habe, dabei war ich doch einfach nur da. Mir war das gar nicht so bewusst. Letztlich habe ich das alles von unserem Vater im Himmel. Es sind für mich Hilfestellungen nach oben. Ich merke, dass alle Knoten jetzt gelöst werden und ich endlich wirklich ganz frei sein darf. Das Band der Liebe bleibt bis in den Himmel, das reißt keiner durch. Wenn du das den Leuten sagen kannst: freuet euch, dass Eure Namen im Himmel geschrieben sind, … Er muss wachsen, ich aber abnehmen“. Sie lacht, wenn man auch merkt, dass es ihr schwerfällt: „als ob ich schon jemals dick gewesen wäre …“

Unser Gespräch dauert nur wenige Minuten, dann ist ihre Kraft verbraucht. Wir verabschieden uns, beten. „Auf Wiedersehen im Himmel!“ Ruft sie mir durchs Telefon zu. Doch eines muss sie noch loswerden. Schon im Gespräch hat sie davon erzählt. Eines macht ihr das Herz schwer: dass sie ihren Heinrich zurücklassen muss. Er ist 92 und auch bei ihm spürt man das Alter deutlich. So gern hätte sie sich gewünscht, dass er vor ihr gegangen wäre, jetzt muss er alleine zurückbleiben. Aber sie hofft, ihn in der Ewigkeit bald wiederzusehen. Wenig konnte ich zu diesem Gespräch beitragen. Es floss, so gut es ging, aus Rosemarie einfach so heraus. Ein paar Sätze sagte ich ihr, die gehören aber nicht ins Radio. Einen Satz aus der Bibel haben wir kurz miteinander bedacht. Er steht im Alten Testament, beim Prediger Salomo:

„Der Mensch hat keine Macht über den Tag des Todes.“ (Prediger 8,8)

„Ja“, sagt sie, „und das ist auch gut so“ und fasst dann noch einmal zusammen, was ihr gerade wichtig ist: „Das Band der Liebe reißt keiner durch.“

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Anstoß

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Kommentare (6)

Karin B. /

Was für ein bewegendes Wort zum Tag und dass wir daran teilnehmen dürfen.
Diese Einstellung möge Gott mir (75 J.) für den Rest meines Lebens schenken,
dass ist mein Gebet.

Sieglinde S. /

Was für mutmachende Worte dieser alten Dame, Danke, dass Sie uns am Gespräch teilhaben lassen. Bin 76 Jahre und hätte auch gerne so eine
Gemeinde. Liebe Grüße und Gottes Segen

Sabine /

Ein sehr bewegendes u mutmachendes Wort zum Tag.
Dank an Rosemarie u Sie.

Susi /

Was für ein wunderschönes Zeugnis der alten Dame! So eine Gemeinde würde ich mir auch wünschen.
Vielen Dank, dass Sie dieses Telefonat mit uns geteilt haben, es macht so Mut!
Herzliche Grüße und Gottes Segen

Constanze G. /

Gott sei Dank hat niemand macht über den Tag des Todes ...

Theda S. /

Danke für diese bewegende Worte. Wie schön, dass die Musik nicht sofort darauf eingesetzt hat, das wäre doch eine gute Idee für jede Sendung.
Ihnen allen einen gesegneten Tag.