Jesus ohne Mitgliedsausweis

Anfang des Jahres haben die Fitness-Studios Hochkonjunktur. Denn dann schließen die Schlankheitswilligen ihre Mitgliedsverträge ab. Das schlechte Gewissen nagt und der Weihnachtsspeck treibt die Anzeige der Wage auf nie gewollte Höhen.

Dieser Speck muss runter. Denn spätestens im Sommer wollen doch alle eine gute Figur machen. Und tatsächlich – allein der Abschluss eines Mitgliedsvertrages gibt ein gutes Gefühl. Obwohl noch gar nichts passiert ist, fühle ich mich gleich um fünf Kilo leichter.

Doch dann kommen die Ausreden und schließlich siegt die Faulheit, upps, schon wieder eine Woche verstrichen, aber nächste Woche fange ich wieder an, ganz bestimmt. Die Fitness-Studio-Betreiber freut das. Kunden, die pünktlich zahlen, aber sonst keine Geräte abnutzen, sind die Besten.

Tote Mitglieder – was für die Fitness-Studio-Betreiber Sinn macht, ist für Jesus jammerschade und inakzeptabel. Er möchte, dass Menschen ihm nachfolgen, er möchte, dass aus meinem Glauben mehr wird als eine Absichtserklärung. Anders als die Fitness-Studio-Betreiber möchte Jesus, dass seine Leute sich richtig reinhängen und mit ganzer Seele und mit ganzem Herzen und all ihrer Kraft dabei sind – so wie Jesus das im Lukas-Evangelium beschreibt (Lukas 10,17)

Hey, Moment mal, protestieren die Jünger, seine Nachfolger: Was verlangst du da, das ist doch gar nicht nötig. Und auch die Menschen, die ihm im biblischen Israel seiner Zeit zuhören, runzeln empört die Stirn. Wir sind doch Familie, wir sind die Kerntruppe des Vereins, Töchter und Söhne des Stammvaters Abraham, was braucht es mehr, wir gehören doch dazu. Und quasi symbolisch zücken sie ihre Mitgliedsausweise.

Nein, so einfach ist das eben nicht, entgegnet Jesus: „Erst wenn ihr an meinem Wort bleibt, dann seid ihr meine Jünger“ (Lukas 8,31).

Und Jesus setzt noch einen drauf: jede und jeder, der sich nicht auf engste Weise mit Jesus verbindet und verbündet, wird ein Sklave der Sünde bleiben.

Was bei den Schlankheitswahnwilligen offensichtlich die schwinden sollenden Fettpölsterchen sind, das ist bei den Nachfolgern Jesu ihr Verhalten. Sie mögen echte Fans sein, sie mögen sogar stolz sein auf ihre Mitgliedschaft, aber das bitte schön muss doch reichen.

Tut es aber nicht. Denn was gibt es in den Augen der Mitmenschen Schlimmeres, als Leute, die am Sonntag in ihre christliche Gemeinde rennen, Worship aus den Bluetooth-Boxen dröhnen lassen, ansonsten aber als Nachbarn, Freunde oder Familienmitglieder kaum zu gebrauchen sind, weil sie die anderen nur nerven, weil sie niemals hilfsbereit sind und keinen Funken Liebe übrighaben. Diese Art geistlichen Müffelspecks wiegt allemal schwerer als der Speck derer, die es wieder einmal verabsäumt haben, ihr Fitness-Studio zu besuchen.

Jesus jedoch ist die Wahrheit, er hält den Menschen den Spiegel vor, er hält mir den Spiegel vor. Wo begnüge ich mich mit meiner Kirchenmitgliedschaft? Wo ist mein geistlicher Anspruch zusammengeschnurrt auf die DIN-A-4-Größe meiner Taufurkunde? Wo lasse ich mich ablenken und verleiten? Wo bleibe ich „Sklave der Sünde“, wörtlich, der „Abspaltung von Gott“, von seiner Liebe, mir gegenüber und in Konsequenz auch gegenüber meinen Mitmenschen?

Jesus will seine Leute ganz, Jesus will mich ganz. Nicht nur in Tagträumen, nicht nur auf dem Papier. Und am Ende ist es sogar wie im Fitness-Studio. Wer sich einmal richtig reingehängt hat, der merkt – erst das bringt wirklich Effekt und erst das macht wirklich Freude.