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/ Wort zum Tag

Gefangen im Drachenpanzer

Uwe Bertelmann über 1. Mose 3,9-10.

Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt.

1. Mose 3,9–10

„Es war einmal ein Junge namens Eustachius Knilch, und diesen Namen hatte er fast verdient.“ – Mit diesem Satz beginnt der Roman „Die Reise auf der Morgenröte“ von C. S. Lewis, Band 5 der Narnia-Chroniken.

Eustachius Knilch – unausstehlich. Selbstsüchtig. Ein verwöhntes Mamasöhnchen. Eine Nervensäge. Ein Egoist und Narzisst, wie er im Buch steht. Wider Willen wird er in die Geschichte, also nach Narnia, hineingezogen. Eustachius findet dann einen Goldschatz. Und dieser Schatz, so sein selbstsüchtiges Kalkül, würde ihn zum Herren über alle anderen machen. Das Gegenteil passiert natürlich: Der Schatz beherrscht ihn. Nur noch von Gier und Herrschsucht getrieben, verwandelt sich Eustachius in einen Drachen. Hier hat Lewis vermutlich ein Motiv aus der nordischen Sage von dem habgierigen Riesen Fáfnir aufgenommen. Fáfnir verwandelt sich selbst in einen Drachen, um seine geraubten Schätze zu bewachen. Der Drache, der auf seinem Schatz sitzt – ein uraltes Bild.

Für mich die bewegendste Szene im Buch: Der Löwe Aslan erscheint und reißt dem Drachen mit seinen Klauen die Drachenhaut ab – es „schmerzte schlimmer als alles, was ich jemals gespürt habe“, erzählt Eustachius später. Nachdem die Haut endlich abgezogen ist, taucht Aslan Eustachius in eine Quelle, und Eustachius wird wieder Mensch – ein veränderter, neuer Mensch, der nachher durchaus zu Heldentaten fähig ist. Eustachius hatte Schichten von Schutzpanzern um sich gelegt. Seine Unausstehlichkeit. Sein Egoismus. Seine Gier – Schutzpanzer.

Gleich nach dem Sündenfall, in 1.Mose 3,9-10: Gott sucht Adam im Garten und findet ihn nicht, denn Adam und Eva haben sich im Gebüsch verkrochen - da heißt es: „Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt.“

„Ich bin nackt“ – und schutzlos. Also baue ich Schutzpanzer um meine Seele. Und der erste, hilflos wirkende Schutzversuch war, sich vor Gott im Gebüsch zu verstecken. Nicht nackt, nicht schutzlos sein – also bauen wir einen Drachenpanzer um uns selbst, in dem wir dann aber gefangen sind. Egal - der soll uns schützen! Je mehr ich über diese Geschichte nachdenke: Es steckt eine Menge „Eustachius Knilch“ in mir. Und ich fange an zu überlegen, was meine Schutzpanzer sind, in denen ich gefangen stecke. Wie oft reagiere ich lieblos, nur um irgendetwas nicht an mich ranlassen zu müssen? Wie oft glaube ich, dass irgendwelche Dinge mir Sicherheit geben, damit ich nicht auf andere angewiesen bin?

Adam fürchtet sich, weil er nackt ist. Schutzlos. Nicht, dass das nicht vorher schon so gewesen wäre – aber jetzt wird es Adam bewusst, weil er sich selbst aus Gottes Schutzbereich hinausbegeben hat.

Gott selbst greift zur Erste-Hilfe-Maßnahme. Er macht dem Menschen Kleidung aus Fellen. Sozusagen eine erste, provisorische Schutzschicht. Aber das löst Adams Problem nicht. Adam wird sich weitere Schutzpanzer bauen, weil er sich nackt fühlt. Er wird künftig autonom und selbstständig versuchen müssen, sich zu schützen. Und er wird unter all den Schutzpanzern zum Eustachius Knilch.

Wir alle sind Adam – oder Eva – und brauchen einen Aslan, wir brauchen Jesus – der uns die Schutzpanzer abzieht. Ja, das kann schmerzhaft sein, wenn wir uns den eigenen Schutzpanzern um uns herum stellen müssen. Wenn wir all die Sicherheiten, an die wir unser Herz gehängt haben, all die Schätze loslassen müssen. Wenn wir ehrlich alle Schutzbehauptungen aufgeben müssen.

Das Wunderbare in der Geschichte von Lewis: Aslan befreit Eustachius nicht nur, er heilt ihn auch, indem er ihn in der Quelle untertaucht. Nackt werden vor Gott, alles loslassen, und untertauchen in der Taufe. Ganz ohne sich schämen zu müssen. Und immer wieder will Jesus uns die Drachenpanzer abkratzen. Mein Gebet für diesen Tag ist, dass ich das zulasse.

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Kommentare (3)

Thomas K. /

Vielen Dank für diese tolle und bildhafte Auslegung!

Angelika J. /

Lieber Herr Bertelmann, Ihre heutigen Worte zum Tag sind sehr bemerkenswert und klug. Herzlichen Dank dafür. Ihre Worte werden mich über diesen Tag hinaus begleiten.

Kerstin S. /

Vielen Dank für diese inspirierende Andacht. Der Vergleich mit Eustachius finde ich sehr gelungen und für mich sehr einleuchtend. Danke!