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Tracks & Traces | Zugezogen Maskulin – Sommer vorbei

Vom Himmel brennt die gelbe Sau

Sollen sich doch die anderen an der nächsten Sommerhymne abmühen. Zugezogen Maskulin haben einen Anti-Sommerhit, der dem Sunshine Feeling das Aperol-Spritz-Glas mit einem warmen Lächeln aus der Hand pfeffert. In Tracks & Traces nimmt das Berliner Rap-Duo „Sommer vorbei“ Spur für Spur auseinander.

„Zehn Jahre Abfuck“

Kann populäre Musik 2020 subversiv sein? Ein Blick in die Charts sagt: wohl kaum. Hin und wieder mogeln sie sich aber ins Blickfeld – die Systemsprenger, denen Zeitgeist genauso gut gelingt wie Dagegensein.

Zugezogen Maskulin ist einer dieser Leuchttürme. Seit 2010 liefert das Berliner Rap-Duo um die beiden Kunstfiguren Testo und Grim104 verlässlich gute Hip-Hop-Platten mit Punk-Attitüde und bissigen Texten.

Gerade ist ihr viertes Album erschienen: „10 Jahre Abfuck“. Ein Rückblick auf ein Jahrzehnt Erfolg, Hype und Rausch. Und zugleich ein Hadern mit dem Spagat zwischen Kunst und Kommerz.

Sommervibes und finstere Bässe

Den Sound und die Beats dazu liefern die Produzenten Ahzumjot und Silkersoft. Im Greenhouse, einem ehemaligen Arbeitsamt in Berlin-Tempelhof, in dem sich heute Studios und Ateliers befinden, entstehen die neuen Songs.

Für das ganze Album war eine sommerliche Stimmung angedacht. Nachdem „Alle gegen Alle“ sehr kalt und zeitlos war, sollte das jetzt wieder mehr nach Hip-Hop und Zeitgeist klingen. – Testo

Im Song „Sommer vorbei“ sorgen ein paar melodische Synthie-Spielereien für die Sommerbrise, die durch finstere Bässe und zerhackte Samples aber direkt wieder gebrochen wird.

Zugezogen Maskulin

Das passiert auch auf inhaltlicher Ebene. Grim 104  rappt über einen Trauerfall in der Familie, über schlechte Laune und depressive Zustände und stellt sein Künstlerdasein in Frage.

Dieser ganze Sommer, der mit Spaß, Glück und Freude assoziiert wird, während ich eigentlich nur damit beschäftigt bin, ein Loch in mir aufzufüllen. Die eigene Traurigkeit und dann aber der Unterhaltungskünstler auf der Bühne sein – diese Ambivalenz wollte ich zusammenfassen. – Grim104

Saurer Apfel und Springerstiefel

Der Rap von Testo erweitert die Crux mit dem Sommer um eine weitere Ebene: Es geht um den Rechtsruck und dessen vermeintliche Ursprünge in den ersten Sommern im geeinten Deutschland. Eine Reise in die Kindheit und Jugend von Testo, Jahrgang 1988, aufgewachsen in Stralsund.

In meinem Bezirk war es die coolste Jugendkultur, ein Nazi zu sein. – Testo

Testo spricht von einer Zeit, in der „aktzeptierende Jugendarbeit das große Ding war“. In den 90er Jahren, nach Lichtenhagen und Hoyerswerda, habe man die Jugendlichen mit rechtsextremer Gesinnung nicht konfrontiert, sondern versucht, ihnen zu helfen, weil sie vielleicht auch mit der Wende nicht klarkamen.

Das hat dazu geführt, dass rechtsextreme Tendenzen florieren konnten und der Korridor für Leute, die von Neonazis diskriminiert wurden, immer enger wurde. Was habe ich von einem Sommer, wenn ich mich draußen nicht ohne Angst bewegen kann? – Testo

„Sommer vorbei“ verliert sich aber nicht in dieser Opferhaltung, sondern will anpacken. Die Songzeile „Der Gefahren größte ist die Mutlosigkeit“ bringt das wunderbar auf den Punkt.

In dieser Folge von Tracks & Traces nehmen Zugezogen Maskulin ihren Song „Sommer vorbei“ Spur für Spur auseinander. Von der ersten (missglückten) Beat-Skizze, über die Textstelle mit Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, bis hin zum vermutlich ersten Eisenbahn-Adlib der Rapgeschichte.

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